1. Andreas Wagners Schriftliche Anfrage
Am 23. Juni stellte der Bundestagsabgeordnete Andreas Wagner (Die Linke) an die Bundesregierung eine Schriftliche Anfrage. Er wollte wissen, wie die Bundesregierung „die Anschaffung und eine mögliche finanzielle Förderung“ von mobilen Luftfiltern in Schulen beurteile und welche Maßnahmen hierzu geplant seien (siehe Anhang/Frage S. 1.)
2. Die Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie
Am 28. Juni antwortete die beamtete Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Claudia Dörr-Voß auf Wagners Anfrage mit einem dreiseitigen Schreiben (siehe Anhang/Antwort S. 1-3).
Zunächst verweist Staatssekretärin Dörr-Voß darin auf die im Juni 2021 in Kraft getretene Bundesförderung für stationäre raumlufttechnische Anlagen. Dass mobile Luftreiniger hingegen von der Förderung ausgeschlossen seien, begründete sie mit der „Expertise des Umweltbundesamtes“, das „mobile Luftreiniger in Schulen nur in Ausnahmefällen und allenfalls als ergänzende Maßnahme“ empfehle. So bestehe bei mobilen Raumluftreinigern die Gefahr, dass sie falsch aufgestellt oder nicht ordnungsgemäß gewartet würden.
Ferner nimmt Dörr-Voß auf eine Empfehlung der Kommission Innenraumlufthygiene Bezug und führt an, dass „Räume in jedem Fall mit Frischluft gelüftet werden müssen und der Einsatz mobiler Luftreiniger nur flankierend in Betracht gezogen werden kann, wenn es Räume gibt, in denen nicht gelüftet werden kann“. Laut Umweltbundesamt (UBA) seien derartige Räumlichkeiten aber grundsätzlich gar nicht für den Unterricht geeignet.
Im letzten Teil ihres Schreibens geht Dörr-Voß sodann auf andere wichtige „Werkzeuge im Kampf gegen die Corona-Pandemie“ ein und lobt dabei die „Nationale Teststrategie“. Gepoolte PCR-Tests bezeichnet sie hierbei als eine „vielversprechende Alternative zu Antigenreihentestungen in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen“. Deswegen kämen hier auch „vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderte Projekte“ zum Einsatz. Allerdings falle „sowohl Konzeption als auch die Erstattung von Testungen in Bildungseinrichtungen in die Zuständigkeit der Länder“.
3. Stellungnahme der Initiative #ProtectTheKids
Der Initiative #ProtectTheKids ist die Antwort des BMWi von MdB Andreas Wagner exklusiv vor Veröffentlichung für eine Stellungnahme zur Verfügung gestellt worden. Wir kritisieren die Begründung des BMWi in mehreren Gesichtspunkten als sachlich nicht nachvollziehbar.
a) So ist die angeführte „Expertise“ des UBA inzwischen veraltet und dazu in sich widersprüchlich. Obwohl viele Experten (Prof. Kähler, Prof. Curtius, das Fraunhofer-Institut; eine Sammlung mit Links zu aktuellen Studien findet sich auf unser Webpage LuftfilterJETZT.de, „Kleines HEPA-Webglossar“) den Einsatz von mobilen Raumluftfiltern für Schulen empfehlen, wird deren Wirksamkeit entgegen mehrerer Wirksamkeitsstudien nach wie vor vom UBA in Abrede gestellt. Gleichwohl kommen eben diese angeblich unwirksamen mobilen Raumluftfilter in zahlreichen Räumlichkeiten von Bundes- und Landesbehörden, beispielsweise auch in Parlamentsgebäuden, nun schon über Monate zum Einsatz.
b) Das UBA empfiehlt zur Reduzierung der indirekten Ansteckungsgefahr mit SARS-CoV-2 in Schulen immer noch das „Lüften“ als Mittel der Wahl und befürwortet mobile Luftfilter in Schulen nur in Ausnahmefällen (für schlecht zu lüftende Räumlichkeiten). Doch das passive Lüften (Lüften über die Fenster) allein reicht bei Weitem nicht aus. Das UBA selbst hat in Stellungnahmen der Jahre 2008 und 2017 genau diese Ansicht auch vertreten. Denn die Effektivität des Lüftens ist von mehreren unbeeinflussbaren Faktoren abhängig: Der höchste Effekt wird bei hoher Temperaturdifferenz innen/außen und hoher Luftströmung (Wind) erzielt. Das für hohe Effektivität nötige Querlüften ist nur möglich, wenn auf zwei Seiten des Raumes Fenster nach draußen vorhanden sind. Über andere Räume querzulüften, verteilt hingegen an Aerosolen haftende Viren über mehrere Räume. Nach dem Schließen der Fenster steigt die Virenlast sofort wieder an. Sobald die Fenster wieder geschlossen sind, reichert sich die Luft also wieder sehr schnell mit virenhaltigen Aerosolen an, die dann von den anwesenden Personen eingeatmet werden. Wenn man, wie vom UBA empfohlen, alle zwanzig Minuten für drei bis fünf Minuten die Fenster öffnet, bedeutet das im Umkehrschluss, dass 86% bzw. 77% der Zeit bis zu den Pausen die Fenster geschlossen sind.
c) Es ist zwar zutreffend, dass mobile Raumluftreiniger keine Frischluft von außen in Räume bringen und insofern das Lüften nicht überflüssig machen, wie dies bei stationären raumlufttechnischen Anlagen möglich wäre. Doch können die Lüftintervalle so wieder auf ein dem Raumklima und einer gedeihlichen Unterrichtsatmosphäre zuträgliches Normalmaß begrenzt werden. Denn beim Einsatz von mobilen Raumluftreinigern bleibt die Virenlast im Raum insgesamt deutlich niedriger. Vergleichende Untersuchungen in Klassenzimmern mit und ohne Raumluftreiniger zeigen: Ohne Raumluftreiniger konnte die Anzahl ansteckender Partikel trotz adäquatem Lüften nur geringfügig reduziert werden, mit Raumluftreiniger sank ihre Zahl hingegen auf ein Zehntel.
d) Auch stellt sich die Frage, aus welchem Grund das UBA in der aktuellen Pandemie allein die Fensterlüftung zur Reduktion von indirekten Infektionen empfiehlt, obwohl dies zum einen in der Praxis nicht funktioniert und zum anderen schon vor der Pandemie als mangelhaft galt. Wenn das "Lüftungskonzept" des UBA funktioniert hätte, wäre eine Einstellung des Präsenzunterrichts in den zurückliegenden Monaten nicht nötig gewesen. Die Praxis des vergangenen Schuljahres hat die Theorie der UBA-Expertise insofern widerlegt.
e) Schließlich ist die vom BMWi problematisierte Frage der Aufstellung und Wartung der mobilen HEPA-Filter kein hinreichender Grund, der gegen ihre flächendeckende Anschaffung für Bildungseinrichtungen spricht. Mobile Luftreiniger kommen seit Jahren in unterschiedlichen Branchen zum Einsatz. Unter Beachtung der Herstellerangaben ist eine korrekte Aufstellung der Geräte in Schulräumen ohne Weiteres möglich. Ordnungsgemäße Filterwechsel und Wartung sind problemlos vor Ort, z.B. von Hausmeistern, zu bewerkstelligen.
f) Begrüßenswert ist aus unserer Sicht, dass Staatssekretärin Dörr-Voß auf die sinnvolle Maßnahme der gepoolten PCR-Tests als zusätzlichen Schutzfaktor verweist. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, aus welchem Grund diese Alternative nur in ausgewählten „Projekten“ durchgeführt wird, gibt es doch schon ausreichende Erfahrungen mit dem massenhaften Einsatz derartiger Tests im Ausland, z.B. in Österreich.
g) Der abschließende Verweis des BMWi auf die Zuständigkeit der Länder bei derartigen Fragen legt unseres Erachtens ein Kernproblem des Versagens der deutschen Regierungspolitik in Pandemiezeiten offen. Gewählt wurde bislang eine Strategie, die auf kurzfristige Reaktion statt nachhaltiger Aktion angelegt ist, auf ein Hin- und Herschieben der Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen statt auf eine proaktive und verantwortungsvolle Politik zum Nutzen aller.
Deshalb fordern wir in Sachen Luftfilter umgehend die Verantwortlichen auf allen drei politischen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – auf, sich für eine rasche und unbürokratische Ausstattung aller Bildungs- und Betreuungsstätten mit HEPA-Luftfiltern einzusetzen. In den meisten Fällen sind hier mobile Geräte die einzige Lösung, die zeitnah, pragmatisch und effektiv umzusetzen ist und die deswegen auch vom Bund finanziell mitgefördert werden sollte.
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