Maskenverbote an Schulen sind ein verfassungswidriger Grundrechtseingriff
Maskenverbote an Schulen sind ein verfassungswidriger Grundrechtseingriff
Maskenverbote an Schulen sind ein verfassungswidriger Grundrechtseingriff
Appell an die Hamburger Bürgerschaft: Verzichten Sie auf ein zu weitreichendes Verhüllungsverbot!
12. Mai 2024

Am 15. Mai 2024 soll in der Hamburger Bürgerschaft eine von den Fraktionen der SPD und der Grünen eingebrachte Änderung des Paragraphen 28 des Schulgesetzes verabschiedet werden, die nach Einschätzung der Initiative #ProtectTheKids einem Maskenverbot an Schulen gleichkommt. Denn beschlossen werden soll ein allgemeines Verhüllungsverbot für Schüler:innen, von dem lediglich das „Tragen einer medizinischen Maske bei Vorliegen einer medizinischen Indikation“ ausgenommen ist (https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/87292/gewaehrleistung_der_offenen_kommunikation_an_hamburger_schulen.pdf).

Das würde bedeuten, dass Schüler:innen sich nicht mehr eigenverantwortlich durch das Tragen einer Maske vor Infektionen schützen dürfen, denn laut Gesetzesbegründung wird dies nun auf Fälle von besonderer Vulnerabilität beschränkt. Betroffene Familien müssten fallweise bei der Schulleitung eine wie auch immer definierte „medizinische Indikation“ nachweisen und hierzu ggf. wohl auch private Krankenakten offenlegen.

Der bloße Wunsch, beispielsweise in einer Wintervirenwelle sich vor Infektionen zu schützen, stellt nach Vorstellung des rot-grünen Senats offenbar keine „medizinische Indikation“ dar. Die geplante Änderung des Schulgesetzes widerspricht deshalb unserer Ansicht nach dem in Artikel 2 des Grundgesetzes garantierten Schutz der Gesundheit.

Maskenschutz muss vom Verhüllungsverbot ausgenommen sein

Die Initiative #ProtectTheKids bittet deshalb die SPD und die Grünen in Hamburg, ihre geplante Schulgesetzänderung zu überdenken. Schüler:innen muss es weiterhin nach eigenem Ermessen freistehen, sich mit einer medizinischen Maske ihrer Wahl (etwa einer OP-Maske oder FFP2-Maske) vor Infektionen in der Schule zu schützen. Unser Änderungsvorschlag für den zweiten Satz des geplanten Verhüllungsverbots in § 28 des Schulgesetztes lautet deshalb: „Ausgenommen ist das Tragen von Masken zum Gesundheitsschutz oder von medizinisch notwendigen Verhüllungen wie z.B. Kopfverbänden.“

Dass die am 15. Mai zur Abstimmung stehende Schulgesetzänderung als ein zu weitreichender Grundrechtseingriff insgesamt verfassungswidrig ist, begründete Rechtsanwalt Martin Becker am 3. Mai ausführlich in einem offenen Schreiben an die Hamburger Bürgerschaftsfraktion der Grünen (https://www.wbecker-partner.de/e-mail.pdf). Sechs Tage später erläuterte Becker, der in der Pandemie Familien in schulrechtlichen Fällen vor Gericht vertreten hat, in einem Twitter-Space seine Einschätzung, dass die Hamburger Schulgesetzänderung das Recht auf Schutz der Gesundheit nach Artikel 2 des Grundgesetzes verletze (https://x.com/i/spaces/1mrxmyrqkwvxy - dort ab 0:21:00).

Weitreichende Verhüllungsverbote können ein verfassungswidriger Grundrechtseingriff sein

Auch der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun, Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, hat die geplante Schulgesetzänderung in Hamburg aus rechtlicher Sicht kritisiert. Konkret bemängelte er am 3. Mai auf Twitter, dass der „Erlaubnisvorbehalt bei starkem Grundrechtseingriff (..) unzureichend" sei (https://twitter.com/Anwalt_Jun/status/1786297425449161181). Anwalt Jun hatte sich bereits vor fünf Monaten mit einem ähnlichen Streitfall im Regierungsbezirk Karlsruhe beschäftigt und hier schon - wie jetzt Martin Becker für Hamburg - die Verfassungswidrigkeit der bestehenden Verhüllungsregel in Baden-Württemberg konstatiert (https://www.youtube.com/watch?v=cuOOvZ7f_sc).

Nach Elternprotesten war von der baden-württembergischen Landesregierung Anfang Dezember 2023 schließlich festgestellt worden, dass trotz des bestehenden Verhüllungsverbotes das Maskentragen von Schulleitungen „konkludent durch Duldung“ antragslos zugelassen werden solle (https://km.baden-wuerttemberg.de/de/service/pressemitteilung/pid/atemschutzmasken-an-schulen?highlight=Masken). Eine solche rechtlich unsaubere, in der Praxis für Schüler:innen, die sich weiterhin eigenverantwortlich mit Masken schützen wollen, aber unproblematische Handhabung scheint in Hamburg offenbar nicht angedacht, denn in der Begründung der Gesetzesänderung von § 28 wird, wie bereits erwähnt, auf Einzelfallentscheidungen von Schulleitung aufgrund einer „medizinischer Indikation“ abgehoben.

Risiken für schwere Folgeerkrankungen: ME/CFS tritt auch bei zehntausenden Kindern auf

Gründe für eigenverantwortliche Bemühungen um Infektionsschutz gibt es an sich auch für Kinder und Jugendliche weiterhin - gerade mit Blick auf die Corona-Pandemie, die von der Weltgesundheitsorganisation ja noch keineswegs für beendet erklärt worden ist. Seit Mai 2023 liegt laut WHO lediglich keine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ mehr vor. Long Covid und andere Folgeschäden bleiben jedoch als Risiko weiter, wie die WHO mehrfach betont hat, virulent. Dass das Coronavirus keineswegs nur die Atemwege befällt, sondern den Körper auf vielfältige Weise organisch schädigen kann, wurde mittlerweile in einer Vielzahl an Studien gezeigt, die 2023 eine Autorengruppe um den amerikanischen Kardiologen Eric Topol in einer vielbeachteten Nature Review zusammengefasst hat (https://www.nature.com/articles/s41579-022-00846-2).

Wenngleich bei Kindern die Risiken für Folgeerkankungen nach einer Infektion geringer als bei Erwachsenen sind, können sie nach Einschätzung von Expert:innen keineswegs ausgeschlossen werden (https://www.science.org/doi/10.1126/science.ade1675; https://publications.aap.org/pediatrics/article/153/3/e2023062570/196606/Postacute-Sequelae-of-SARS-CoV-2-in-Children?autologincheck=redirected; https://www.kinderaerztliche-praxis.de/a/sars-cov-infektion-das-post-covid-syndrom-bei-kindern-und-jugendlichen-2492148). Laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach muss man davon ausgehen, dass ein Prozent der Kinder nach einer Corona-Infektion Post-Covid-Symptome zumindest zeitweise entwickelt, was 140.000 Betroffenen entspricht (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/147774/Lauterbach-ruft-zur-Impfung-auf-um-Long-COVID-Risiko-zu-senken). Die Zahl der schwerstbetroffenen Kinder mit ME/CFS ist in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie auf 40.000 angewachsen, berichtete 2023 Prof. Uta Behrends von der TU München (https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Paediater-Rund-40000-Jugendliche-von-MECFS-betroffen-440328.html).

Insofern scheint es rational nachvollziehbar, dass einige Eltern sich weiterhin wünschen, ihre Kinder bei Bedarf auch mit Masken vor Neuinfektionen zu schützen. Dass Masken ein wirksamer Gesundheitsschutz nicht nur in Zeiten von Corona, sondern auch mit Blick auf andere durch die Luft übertragene Virenerkrankungen wie z.B. Influenza sind, steht unter Public Health-Expert:innen außer Frage. Verwiesen sei hier auf eine Sammlung wissenschaftlicher Evidenz aus einer Vielzahl von Studien zum Thema des Maskentragens, welche die Oxforder Professorin Trisha Greenhalgh 2023 publik gemacht hat (https://twitter.com/trishgreenhalgh/status/1629827584568565760?t=ptN5OF7We-eZUJmoGOHQig&s=19).

Behinderung von „offener Kommunikation“: ein fragwürdiges, evidenzarmes Maskengegner-Argument

Gegen Verhüllungen des Gesichts - wie eben auch das Tragen einer Maske - wird in der Begründung der Hamburger Schulgesetzänderung darauf abgehoben, welche Bedeutung die Gesichtsmimik für eine „offenen Kommunikation“ habe. Diese Argumentation spricht implizit Kindern, die z.B. durch Sehbehinderungen oder Autismus im Lesen von Mimik beeinträchtigt sind, einen „nachhaltigen Erfolg von Bildungsprozessen“ in einer durchaus fragwürdigen, um nicht zu sagen ableistischen Weise ab. In Bezug auf das Masketragen sind oft ins Feld geführte mutmaßliche Beeinträchtigungen für Kinder in der Realität kaum messbar, wie schon 2022 das National Geographic Magazin unter Verweis auf mehrere Studienergebnisse berichtet hat (https://www.nationalgeographic.com/science/article/do-masks-really-harm-kids-heres-what-the-science-says).

„Absolut irreparabler Vertrauensverlust in die Politik“: Hamburger Elternstimmen zum geplanten Maskenverbot

Unter anderem auch die Diskussion in sozialen Medien hat in den letzten zwei Wochen gezeigt, dass die in Hamburg geplante Schulgesetzänderung unter Eltern auf Widerspruch stößt. So fand ein Statement einer Hamburger Mutter, die sich am 2. Mai mit ihrer ausführlich begründeter Kritik an den Hamburger Senat wandte, auf Twitter viel Zuspruch. Sie bezeichente es als „vollkommen unverständlich, warum Masken nun als präventives Mittel nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein sollen, besonders wenn andere Schutzmaßnahmen wie Luftfilter und Lüftungspläne nicht konsequent genutzt werden“ (https://twitter.com/Ey75518304/status/1786131486262899106).

Ein Hamburger Vater sprach unserer Initiative gegenüber von einem „absolut irreparablen Vertrauensverlust in die Hamburger Politik und deren Entscheidungsprozesse". Er ergänzte mit Blick auf die im Sommer 2022 verfügte Abschaltung der ein Jahr zuvor für die Bildungseinrichtungen der Hansestadt angeschafften 21.000 mobilen Luftreinigungsgeräten: "Nach der Untersagung der Nutzung der in Hamburger Schulen vorhandenen Luftfilter unter nicht nachvollziehbaren Gründen und den total intransparenten Entscheidungsprozessen, dachte man, es kommt nun nicht mehr schlimmer. Doch hier in Hamburg ist man da sehr ‚kreativ‘ und es wird schlimmer. Zumindest für die, die sich präventiv schützen wollen."

In einem von der Initiative BildungAberSicher am 9. Mai veranstalteten Twitter-Space schilderte eine Hamburger Mutter einer vulnerablen Schattenfamilie die aktuelle Situation als „sehr, sehr bedauerlich“. Erst sei Vorerkrankten mit erhöhten Risiken im Verlauf der Pandemie der solidarische Schutz unter Hinweis auf die individuelle „Eigenverantwortung“ verweigert worden. Jetzt komme man sogar beim Infektionsschutz „an den Punkt, wo man sagt: Ihr dürft das nicht mehr, ihr müsst euch dafür rechtfertigen, dass ihr das tut“ (https://twitter.com/i/spaces/1ynJOyRPWdEKR, ab 1:36:00)

Lernen aus der Pandemie: Gesundheitsprävention und Bildung zusammendenken!

Die Initiative #ProtectTheKids appelliert an die Hamburger Bürgerschaft, die Bedenken gegen die geplante Änderung von § 28 des Schulgesetzes ernst zu nehmen. Der unter dem irreführenden Titel „Gewährleistung der offenen Kommunikation an Hamburger Schulen“ am 30. April 2024 von SPD und Grünen eingebrachten Antrag, der nun am 15. Mai zur Abstimmung steht, darf in dieser Form nicht angenommen werden.

Die Sorge um gute Kommunikation und Bildungserfolg steht nicht in Widerspruch zu Anliegen des Gesundheitsschutzes. Eine wichtige Lehre aus der Pandemie muss es vielmehr sein, Gesundheitsprävention und Bildung in den Schulen zusammenzudenken statt gegeneinander auszuspielen. Wir bitten deshalb den Hamburger Senat, nicht nur auf ein Maskenverbot an Schulen zu verzichten, sondern künftig wieder mehr Maßnahmen für saubere Innenraumluft zu ergreifen und so in den Bildungseinrichtungen auf nachhaltige Weise für die Gesundheit aller Schüler:innen, Erzieher:innen und Lehrkräfte sowie für ein gedeihliches Lernklima zu sorgen.

Photo by Dominika Roseclay from Pexels: https://www.pexels.com/photo/unrecognizable-stylish-woman-in-face-mask-on-road-4195484/

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