Vor einem Monat ist in der Öffentlichkeit bekannt geworden, dass die Stadt Münster plant, die für ihre Schulen 2021 angeschafften mobilen Luftfilter zu verschrotten, weil sie angeblich nicht mehr benötigt würden. Wie die Westfälischen Nachrichten am 7. August 2024 berichteten, soll der Stadtrat über eine entsprechende Beschlussvorlage am kommenden Mittwoch, den 11.9. entscheiden (https://www.wn.de/muenster/corona-luftfilteranlagen-schulen-entsorgung-grund-3069480?pid=true&npg); Beschlussvorlage für den Stadtrat: https://www.stadt-muenster.de/sessionnet/sessionnetbi/vo0050.php?__kvonr=2004054272).
Eltern kritisieren: „Schutzmaßnahmen zum Wohle unserer Kinder auf den Müll werfen“?!
Eltern aus Münster haben auf diese Pläne entsetzt reagiert und kritisiert, dass, anders als von der Stadt Münster behauptet, keineswegs in allen betroffenen Bildungseinrichtungen transparent abgefragt wurde, ob eine Nutzung der Luftfilter von den jeweiligen Schulfamilien weiterhin gewünscht sei. In einem offenen Brief forderte eine Elterngruppe die politisch Verantwortlichen auf, „zu überprüfen, ob wir uns tatsächlich leisten wollen und können, vorhandene und wissenschaftlich nachgewiesenermaßen effiziente Schutzmaßnahmen zum Wohle unserer Kinder einfach sprichwörtlich auf den Müll zu werfen“.
Wie die Münsteraner Eltern weiter schrieben, spielen „Schulen (..) eine sehr große Rolle bei der Prävention von Ansteckungen, weil dort viele Menschen aus verschiedenen Haushalten über einen längeren Zeitraum in schlecht belüfteten Innenräumen zusammenkommen. Gerade Familien, denen Schutz aufgrund von Vorerkrankungen besonders wichtig ist, aber auch Eltern, die sich aufgrund ihrer beruflichen Situation vermeidbare Krankheitsfälle nicht leisten können und/oder wollen, sind betroffen, (…) von bakteriellen Folgeinfektionen und postviralen Syndromen (…) mal ganz abgesehen.“ (https://x.com/CorneliaBeeking/status/1821983888098652201; vgl. auch dazu Bericht in den Westfälischen Nachrichten vom 20.8.2024: https://www.wn.de/muenster/pandemie-luftfilter-entsorgung-entsetzen-eltern-3086233?&npg)
Virologin Schroeder: "Man muss nicht krank sein, um gesund zu sein“
Auch bei der Virologin und Chefärztin an der münsterländischen Mathias-Stiftung, Dr. Jana Schroeder, stießen die Luftfilter-Verschrottungspläne auf Unmut. In einem Gastbeitrag für das Münsteraner Online-Stadtmagazin „RUMS“ monierte sie vor einer Woche, dass die „Erkenntnisse aus der Pandemie über Krankheiten, bei denen die Ansteckung über die Atemwege erfolgt, und die Werkzeuge zu ihrer Eindämmung (..) auch vier Jahre nach der Pandemie bei den Verantwortlichen noch nicht wirklich angekommen“ seien.
„Das traurige Schicksal der Luftfilter steht symbolhaft für den aktuellen gesamtgesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie. Es ist eine Normalitätssimulation. Statt Prävention als Lehre aus der Pandemie in den Fokus zu nehmen und erwiesenermaßen effizienten Werkzeuge gegen Infektionskrankheiten gezielt zu nutzen, ergreift man keinerlei Maßnahmen mehr. Das begünstigt Infektionen. Dass die Weltgesundheitsorganisation aktuell dazu aufruft, das Infektionsrisiko durch Ergreifen entsprechender Schutzmaßnahmen auch weiterhin zu reduzieren, ignoriert man“, beklagt Schroeder (https://www.rums.ms/newsletter/kolumnen/gastbeitrag-2024-08-30/?utm_source=mail).
Fachleute raten zu Luftfiltern als Teil eines #CleanAir-Gesamtkonzepts
Die Initiative #ProtectTheKids schließt sich der Kritik der Elterngruppe sowie den Äußerungen von Dr. Jana Schroeder vollumfänglich an. Wir möchten darauf hinweisen, dass die Wirksamkeit von mobilen Luftfiltern bei der Eindämmung von aersolübertragenen Viren wie etwa Corona-, Influenza-, RSV- oder Erkältungsviren in wissenschaftlichen Studien vielfach belegt wurde (Vgl. z.B. die umfangreiche Studienzusammenstellung von Prof. Dr. Hartmut Herrmann vom Tropos-Institut Leipzig: https://x.com/H_Herrmann24/status/1581374392302387200).
Deshalb haben führende Aerosolforscher:innen in einem Positionspapier der Deutsche Forschungsgemeinschaft bereits 2021 den Einsatz von Luftfiltern in Schulen empfohlen (https://www.dfg.de/resource/blob/175380/2d476eae67fc5f57f4063b022f332914/positionspapier-aerosole-data.pdf). Auch eine belgisch-niederländische Vergleichsuntersuchungen untermauerte die Befunde über die Wirksamkeit von Luftfiltern als Public Health-Maßnahme zur Eindämmung von Virenwellen in Schulen (https://www.brusselstimes.com/health/243591/air-purifiers-in-classrooms-greatly-reduces-risk-of-covid-19-infections-study-confirms). Wie eine Studie aus England kürzlich berechnete, überwiegt der Nutzen von Luftreinigern bei weitem die verhältnismäßig geringen Kosten, die für den Betrieb aufgewendet werden müssen (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2950362024000316?via%3Dihub).
Aufgrund dieser Befunde überrascht es nicht, dass international angesehene Forscher:innen erst kürzlich im Science Magazin gemeinsam gefordert haben, dass als Lehre aus der Pandemie verstärkte Anstrengungen für saubere Luft in öffentlichen Innenräumen geboten seien. Hierbei bleibe der Einsatz von Luftfiltern ein sinnvoller Baustein in einem durchdachten Clean-Air-Gesamtkonzept, betonen die Expert:innen (https://www.science.org/doi/10.1126/science.adp2241).
Statt Luftfilter zu verschrotten, sollte Münster aus der Pandemie lernen: #CleanAir4All
In diesem Sinne fordern wir den Stadtrat von Münster auf, sich einer am 22. August von der CDU-Ratsfraktion Münster veröffentlichen Stellungnahme anzuschließen und die Beschlussvorlage für eine Luftfilter-Verschrottung am 11.9. abzulehnen (https://www.cdu-ms.de/aktuelles/presse/einzelansicht/luftfilter-in-schulen-nicht-wegwerfen). Stattdessen sollte die Stadt Münster als Lehre aus der Pandemie nun baldmöglichst ein sinnvolles Gesamtkonzept für die Verbesserung der Luftqualität in öffentlichen Innenräumen, insbesondere auch in den Schulen, beschließen.
Nötig sind künftig Investitionen in moderne raumlufttechnische Anlagen, mit denen zugleich auch Energie gespart werden kann. Überall, wo moderne Raumlufttechnik noch nicht zum Einsatz kommt, sollten mobile Luftfilter weiterbetrieben werden. Wie verweisen hier auf die beispielhafte Schweizer Pilotstudie der Schulgemeinde Adliswil (https://protect-the-kids.ch/studie-verbesserung-der-luftqualitaet-in-klassenzimmern).
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