Von den Beschlüssen zur Bekämpfung der Delta-Welle der gestrigen Bund-Länder-Runde zeigen sich die 23 Initiator:innen des Offenen Briefs an Olaf Scholz enttäuscht. Ihr Aufruf war am 14. November unter der Headline „#NotbremseJETZT: Die Delta-Welle brechen und die Pandemie wirksam eindämmen!“ auf der Online-Plattform WeAct gestartet worden und ist inzwischen von über 70.000 Menschen unterzeichnet worden. Zu finden ist er unter folgendem Link: campact.org/notbremse
„Das hätte schon vor acht Wochen beschlossen werden müssen“
Dirk Paessler äußerte sich gestern Nachmittag folgendermaßen zu den Ergebnissen des Corona-Gipfels: „Too little, too late. Das, was jetzt beschlossen wurde, hätte schon vor acht Wochen beschlossen werden müssen. Das sind alles nur Maßnahmen, die bremsen, die aber nicht die Welle kurz und klein schlagen. Was jetzt eigentlich hätte beschlossen werden müssen, wann bekommen wir das dann? Wieder erst in acht Wochen? Die Dringlichkeit der Situation ist offensichtlich immer noch nicht angekommen in den Köpfen in Berlin.“
Auch Isabel Ruland befürchtet „düstere Aussichten“, denn „mit den heute beschlossenen 2G-Maßnahmen wird ein Brechen der vierten Welle wohl nicht gelingen“. Sie verweist auch auf die derzeitigen Probleme bei den Impfstoffmengen sowie die „Tendenz zur Abwiegelung der Kinderimpfung“.
Bruno Capra kritisiert, dass die Politik „den Ernst der Lage nicht kapiert“ habe. Er verweist exemplarisch auf den viel zu hoch angesetzter Grenzwert der Sieben-Tages-Inzidenz von 350, ab dem erst Schließungen von Clubs und Diskotheken möglich seien.
Prof. Dr. Sebastian Seiffert fügt ergänzend hinzu: "Grundsätzlich gilt doch: Wenn es in einer Krise Expertinnen und Experten gibt, deren Vorhersagen wiederholt und über lange Zeit durchweg eintreffen, dann sollten wir ihnen gut zuhören. Und die gibt es; und ihre Äußerungen dazu, was jetzt nötig ist, sind eindeutig."
Der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumte Entscheidungsspielraum bleibt ungenutzt
Dr. Stefan Keppeler bemängelt, dass Infektionsschutz für Kinder offensichtlich eine zu geringe Rolle spielt: „Sowohl mit den bisher gültigen Regeln als auch mit den neuen MPK-Beschlüssen kann keine Landesregierung flächendeckend Distanzunterricht anordnen, egal bei welcher Inzidenz - nicht mal für die Woche vor Weihnachten“.
Thorsten Frühmark merkt dazu an: „Die Politik hat nach dem neuesten Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen großen Entscheidungs¬spielraum zwischen Gesundheit und Bildung. Deutschland hat sich für die Wirtschaft entschieden. Es gibt keinen eigentlich jetzt in vielen Regionen notwendigen Wechselunterricht, nur damit Eltern arbeiten können.“
Stefan Hemler begrüßt die Absichtserklärungen zur Einrichtung eines Krisenstabs, kritisiert aber, dass sich die Bund-Länder-Strategie offenbar allein auf den Erfolg des Impfens verlasse. „Das ist angesichts von Omikron eine riskante Strategie. Wir brauchen im Anschluss an rasch wirksame Sofortmaßnahmen den Fokus auf eine dauerhafte Eindämmung der Pandemie. Hier vermisse ich – gerade mit Blick auf mögliche neue Herausforderungen mit Virusmutationen – die klare Ansage eines nachhaltigen Strategiewechsels“.
Kritik an SPD-Vorsitzender Saskia Esken wegen Terminabsage
Kritisiert wurde von den Initiator:innen des Offenen Briefs auch, dass weder Olaf Scholz noch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sich bisher zu einem Gespräch über den von mehr als 70.000 Menschen unterzeichneten Aufruf bereit gefunden haben, obgleich dies von Esken bereits zugesagt worden war.
Vor acht Tagen hatten die Initiator:innen ihren Offenen Brief der SPD-Vorsitzenden im Willy-Brandt-Haus übergeben (Infos zu der Aktion in Berlin: https://luftfilterjetzt.de/presse/2021/11/30-action.html). Als Ergänzung zu dem kurzen Übergabetermin am 25.11. hatte Esken einen baldiges Online-Gespräch mit der Gruppe vorgeschlagen, gestern aber ihre Zusage überraschend wieder zurückgezogen.
Abbildungsquelle: Tran Mau Tri Tam on Unsplash